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Für professionell arbeitende Künstlerinnen und Künstler ist es wichtig, dass sie ihre Werke regelmässig präsentieren können. Oft entstehen erste Ausstellungen aus Eigeninitiative im Atelier, am Ausbildungsplatz, an alternativen Ausstellungsorten oder in Off-Spaces etc. Diese ersten Ausstellungserfahrungen sind eine wichtige Voraussetzung für Künstlerinnen und Künstler, wie auch für junge, freischaffende Kuratorinnen und Kuratoren, um grundsätzliche Fragestellungen und Knackpunkte in der Kunstproduktion und in der Kunstvermittlung kennen zu lernen und zu bewältigen.
Wenn eine Künstlerin, ein Künstler für eine Ausstellung eingeladen wird, ist das eine Auszeichnung. Es ist aber wichtig, vor einer Zusage zu einem Ausstellungsprojekt, die einladende Institution genau zu prüfen, die Räume zu besichtigen, das bisherige Ausstellungsprogramm zu studieren und den Ruf und die Ausstrahlung der Institution zu hinterfragen. Dazu gehört natürlich auch das notwendige Vertrauen in die zuständige Ausstellungsorganisatorin, den Organisator. Wie bei allen Projekten ist das sorgfältige, gemeinsame Planen die Voraussetzung für das Gelingen einer Ausstellung. Dazu gehören gegenseitige Information, regelmässige Kommunikation und gesicherte Finanzen. Oft scheitern Projekte an einer unsorgfältigen Budgetierung, mangelnder Kommunikation und an ungeklärten Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten. Im Bereich der bildenden Kunst werden von Institutionen und Ausstellungsorganisatoren oft keine oder ungenügende Honorare und Vergütungen bezahlt. Bildende Künstlerinnen und Künstler erhalten bisher nur selten eine angemessene Vergütung für Leistungen im Zusammenhang mit einer Ausstellung. In anderen Kultursparten werden vergleichbare Nutzungen und Leistungen hingegen selbstverständlich vergütet.
visarte.schweiz, der Berufsverband visuelle Kunst möchte mit diesen Empfehlungen die Ausstellungsorganisatorinnen und Kuratoren sowie Institutionen sensibilisieren für eine faire Honorierung von
Künstlerinnen und Künstlern im Ausstellungsbetrieb.
Mit dieser Leitlinie legt visarte eine Verhandlungsgrundlage für einen wichtigen Bereich des künstlerischen Schaffens vor. Sie dient als Empfehlung und Orientierungshilfe für Vereinbarungen
zwischen Veranstaltern von Ausstellungen und professionellen bildenden Künstlerinnen und Künstlern. Die Leitlinie empfiehlt eine Regelung gerechter und wirtschaftlich vernünftiger Vergütungen für
Leistungen von Künstlerinnen und Künstlern im Zusammenhang mit einer Ausstellung. Diese Leitlinie orientiert sich an den Empfehlungen des Berufsverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler
Deutschland, 2014 und an der Publikation «Richtlinie zur Ausstellungsvergütung für bildende Künstler in Sachsen», 2012.
Vergütung für Leistungen, welche professionelle Künstlerinnen und Künstler im Rahmen einer Ausstellung erbringen. Kriterien für die Professionalität der Künstlerinnen und Künstler sind:
Eine Ausstellungsvergütung ist für die Nutzung nicht veräusserter Werke zu entrichten, die Künstlerinnen und Künstler für nicht kommerzielle Ausstellungen zur Verfügung stellen. Empfohlen ist
eine Ausstellungsvergütung dort, wo keine ausreichenden Werkverkäufe erzielt werden können. Dies gilt für Ausstellungen in Räumen, wie z.B. Museen, Kunstvereinen und nicht kommerziellen Galerien
sowie bei Ausstellungen in Räumen, in denen Kunst in erster Linie zur Repräsentation des Ausstellungsortes genutztwird. Das ist beispielsweise bei Wirtschaftsunternehmen, Instituten, öffentlichen
Einrichtungen, Hotels, Restaurants, Kanzleien, Praxen etc. der Fall. Es ist entsprechend der Grösse und Struktur der jeweiligen Einrichtung zu verhandeln. Ausgenommen von der Verpflichtung zur
Zahlung von Vergütungen für Ausstellungen sind Galerien, die professionell im Kunstmarkt tätig sind oder selbstverwaltete, ehrenamtlich betriebene Kunsträume.
Ersatz des Vergütungsanspruchs: Finanzielle Leistungen des Veranstalters können die Ausstellungsvergütung auch ersetzen, so z.B. eine Ankaufsgarantie oder der Druck eines repräsentativen
Katalogs mit einer Mindestauflage von 200 Stück.
Ausstellungsvergütung: Mit der Ausstellungsvergütunghonoriert der Veranstalter die zeitlich begrenzte Nutzung des Werks für eine Ausstellung. Sie kompensiert während der Ausstellung auch
die Nichtverfügbarkeit des Werks für eine anderweitige Nutzung.
Mitwirkungsvergütung: der Veranstalter vergütet Dienstleistungen von Künstlerinnen und Künstlern im Zusammenhang mit der Organisation einer Ausstellung (z.B. An- und Abtransporte, Auf-
und Abbau, Führungen, Vorträge, Künstlergespräche, Podiumsdiskussionen)
Mehrwertsteuer: Künstlerinnen und Künstler sind von der Mehrwertsteuer befreit. Das gilt auch bei Verkäufen während Ausstellungen, wenn der Veranstalter lediglich den Kontakt zwischen
Künstler und Käufer vermittelt, aber selbst an der Abwicklung des Verkaufs nicht beteiligt ist. Wenn der Veranstalter den Verkauf abwickelt, ist er für die Abklärungen zur Mehrwertsteuerpflicht
verantwortlich.
Die nachfolgenden Empfehlungen und Hinweise zur Berechnung einer Ausstellungsvergütung bzw. Mitwirkungsvergütungkonkretisieren mögliche Vergütungsansprüche für die einzelnen Leistungen der Künstlerinnen und Künstler. Diese sollten aus einem differenzierten Kostenvoranschlag hervorgehen, den die Künstlerinnen und Künstler dem Veranstalter oder der Veranstalterin vorlegen, damit der Betrag verbindlich im Ausstellungsbudget ausgewiesen werden kann. Diese Berechnungsgrundlage betrifft Einzelausstellungen mit einer repräsentativen Anzahl von ausgestellten Werken oder Rauminstallationen.
Ausstellungsvergütung: Empfehlungen für die Höhe der Ausstellungsvergütung bei Einzelausstellungen und einer Ausstellungsdauer von vier Wochen. Die hier aufgeführten Beträge sind als Mindestsätze zu verstehen.
kleine Ausstellungsorte, subventionierte Offspaces, Stadtgalerien, nicht kommerzielle Galerien kleine Unternehmen, öffentliche Bildungseinrichtungen
mind. CHF 500
mittlere Kunsthallen und Museen mit Besucherzahlen bis 10’000 pro Jahr, mittlere Unternehmen, öffentliche Verwaltungen
mind. CHF 1000
grosse Kunsthallen und Museen mit Besucherzahlen bis 50’000 pro Jahr, grosse Unternehmen
mind. CHF 3000
zentrale Museen mit Besucherzahlen von über 50’000 pro Jahr
mind. CHF 5000
Mitwirkungsvergütung: Empfehlungen für die Höhe der Stundenansätze. Die hier aufgeführten Beträge sind als Mindestansätze zu verstehen.
Arbeiten professioneller Künstlerinnen und Künstler Planung, Leitung Auf- und Abbau, Workshops, Führungen, etc.
mind. CHF 90
Mithilfe Auf- und Abbau, Transporte, Verpackung, etc.
mind. CHF 60
Pauschale Vergütungen: Die hier aufgeführten Beträge sind als Mindestansätze zu verstehen.
Podiumsdiskussionen, Künstlergespräche
mind. CHF 300
Eröffnungsreden, Vorträge
mind. CHF 300
Performance je nach Auftrittsort, Erfahrung, Bekanntheit
mind. CHF 500
Gruppenausstellungen: Grundsätzlich gelten die oben aufgelisteten Ansätze. Der budgetierte Gesamtbetrag für die Ausstellungsvergütung wird durch die Anzahl der Teilnehmenden aufgeteilt.
(mindestens CHF 100 pro Person).
Performance, Aktion, Intervention: Wenn eine Performance/Aktion speziell für einen Ort konzipiert wird und/oder mehrere Personen beteiligt sind, empfiehlt sich das Aushandeln eines fixen
Honorars auf Basis des Honorar- und Projektrechners von visarte.
Spesen, Transport, Versicherung, Werbung, Vernissage: Die Kosten für ausstellungsbezogene Spesen, Versicherung, Transport, Werbung, Raummiete, Personalkosten; für die Vernissage,
Finissage und Veranstaltungen werden von der Ausstellungsinstitution übernommen.
Impressum
Herausgeber: visarte berufsverband visuelle kunst • schweiz Geschäftsstelle, Kasernenstrasse 23, CH 8004 Zürich
Projektleitung: Benjamin Dodell, Mitglied Zentralvorstand
Redaktion: Josef Felix Müller, Präsident visarte.schweiz und Regine Helbling, Geschäftsführerin visarte.schweiz
Erscheinungsjahr: 2016